Von Ehrensenator Bernd Hellstern



Vorwort:
Als Karnerval, Fastnacht, Fasnacht, Fasent, Fasching, Fasteloovend, Fasteleer oder Fünfte Jahreszeit bezeichnet man zahlreiche Bräuche, mit denen die Zeit vor Aschermittwoch ausgelassen gefeiert wird. Karneval wird sehr unterschiedlich gefeiert. Karnevalsumzüge, Masken, Musik und das Verkleiden spielen eine Rolle. Eine ganz eigene Vitalität entwickelte der Karneval in Lateinamerika wie etwa beim Karneval in Rio. Bekannt ist auch der Karnerval in Venedig, in Kanada, der Karnerval von Quebec, der Mittfasten- Karneval am Sonntag Leatare in Stavelot und anderen Orten der belgischen Ostkantone, sowie in Spanien der Karneval von Santa Cruz des Tenerife und der Karneval in Cadiz. Auch in den Südstaaten der USA gibt es eine ausgeprägte Karnevalstradition.
Fastnacht, Fasching, Karneval – das ist für viele die Faszination des Rollenspiels, der Vermummung, des Andersartigen, für viele die schönste Zeit des Jahres. Ein Jungbrunnen, aus dem man neuen Schwung und Lebensmut gewinnen kann, sie bedeutet ein Ausbrechen aus dem Alltag, aus der gewohnten Ordnung, das aufheben von Schranken.
Fastnacht, Fasching, Karneval – das ist sein wahres Gesicht zeigen und dabei dennoch die Anonymität gegenüber dem Zuschauer wahren, gemeinsam mit andern feiern. Ein Stück Gestern herüber gerettet in die High-Tech-Welt von heute, verbunden mit den unterschiedlichsten Gefühlen von Lebensfreude über Geborgenheit, bis hin zu Wehmut und Ergriffenheit.
Verstehen wir das fastnachtliche Spektakel in unserer Zeit als eine Persiflage der realen Welt , deren Narrheit die Narren an Fastnacht jedermann eindrucksvoll vor Augen führen, so kann diese Art von Selbstbespiegelung und Spiegelvorhalten auch heute noch einen über den reinen Mummenschanz hinaus gehenden Sinngehalt darstellen. Denn wie sagte schon Salomon: „Unermesslich ist die Zahl der Narren“. Und diese Aussage wird allem Anschein nach ihre Gültigkeit nie verlieren. Und die Selbsterkenntnis ist ja bekanntlich der erste Schritt zur Besserung.
 
Altertum:
Vorläufer des Karneval wurden bereits vor 5000 Jahren in Mesopotanien gefeiert, im Land der ersten urbanen Kulturen. Eine altbabylonische Inschrift aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. gibt Kunde davon, dass unter Priesterkönig Gudea ein siebentägiges fest gefeiert wurde und zwar nach Neujahr als symbolische Hochzeit eines Gottes. Die Inschrift besagt: „Kein Getreide wird an diesem Tag gemahlen. Die Sklavin ist der Herrin gleichgestellt und der Sklave an der Seite seines Herrn. Die Mächtige und die Niedere sind gleich geachtet“. Hier wird zum ersten Mal das Gleichheitsprinzip bei ausgelassenen Festen praktiziert und ist bis heute ein charakteristisches Merkmal des Karneval. In allen Kulturen des Mittelmeerraumes lassen sich ähnliche Feste, die meisst mit dem Erwachen der Natur im Frühling in Zusammenhang stehen, nachweisen. In Ägypten feierte man das Fest zu Ehren der Göttin Isis, die Griechen veranstalteten es für ihren Gott Dionysos und nennen es Apokries. Die Römer schließlich feierten im Dezember mit öffentlichen Gelagen die Saturnalien zu Ehren ihres Gottes Saturnus. Man überschüttete sich mit roten Rosen, möglicherweise entstand so das Konfetti. In der aktuellen Forschung werden Termine wie Saturnalien als Ursprung des Fastnachtsbrauchtums stark angezweifelt. In vielen Masken, Figuren und Bräuchen scheinen sich auch vorchristliche, wie zum Beispiel Riten der keltischen Religionen erhalten zu haben, die den Wechsel vom kalten Winterhalbjahr in das warme und fruchtbare Sommerhalbjahr beinhalten. Sehr stark bezweifelt wird auch die These, dass man versuchte mit der Fastnacht den Winter zu vertreiben, in dem man sich als Geister, Kobolde und unheimliche Gestalten aus der Natur verkleidete, mit Holzstöcken um sich schlug, oder mit einer Rassel oder Ratsche Krach machte. Die neueste Forschung bezweifelt mittlerweile auch die germanische Theorie: Sie führt an, dass sich Bräuche und Feste nicht mit einer Unterbrechung von mehreren Jahrhunderten überliefert haben könnten, sie gehen daher von der heutigen Fastnacht als einem christlichen Fest aus. Es ist davon auszugehen, dass über mehrere Jahrhunderte keine Feste ähnlich der Fastnacht stattfanden, sondern diese eher im hohen und späten Mittelalter mit der Fastenzeit entstanden.
 
Mittelalter:
Im mittelalterlichen Europa feierte man zwar in Kirchen - jedoch nicht offiziell kirchlich - Narrenfeste, vom 12. Jahrhundert bis zum Ende des 16. Jahrhunderts um den Epiphanistag, den 6. Januar. Dabei übernahmen die unteren Kleriker vorübergehend Rang und Privilegien der höheren Geistlichkeit. Kirchliche Rituale wurden parodiert. Selbst ein Pseudopapst wurde gekürt, am 28. Dezember am Tag der unschuldigen Kinder, wurde oftmals ein Kinderbischof gekürt, im Rollentausch ähnlich den Pseudopapst. In Gestalt von Prozessionen wurden auch die Bewohner der Städte am Fest beteiligt. Auch während der eigentlichen Karnevalstage waren Narren- oder Eselsmessen weit verbreitet. Die oftmals ausartende Fastnacht wurde von der Kirche als didaktisches Beispiel geduldet um damit zu zeigen, dass die „civitas diaboli“ (Staat des Teufels) wie auch der Mensch vergänglich ist und am Ende Gott siegreich bleibt. Mit dem Aschermittwoch musste daher die Fastnacht enden, um die unausweichliche Umkehr zu Gott zu verdeutlichen. Während die Kirche bei gotteslästernden Szenen untätig blieb, wurde ein weiter feiern in den Aschermittwoch hinein streng verfolgt. Insbesondere im ausgehenden 14. und 15. Jahrhndert wurde im Deutschen Raum Fastnacht gefeiert, wie u.a. die Nürnberger Schembartläufe. Um diese Zeit fand auch der Narr Einzug in die Fastnacht, der im didaktischen Sinne der Fastnacht auf die Vergänglichkeit hinweisen sollte. In manchen Fastnachten - insbesondere in Tirol - wird vor diesem Hintergrund bereits am Fastnachtsdienstagabend zum „Betzeitläuten“, die Maske um 18.00 Uhr abgelegt. Grund für diese Uhrzeit ist die jüdische und urchristliche Tradition, wonach der neue Tag bereits mit dem Einbruch der Nacht beginnt.
 
Neuzeit:
Die Reformation stellte die vorösterliche Fastenzeit in Frage, damit verlor die Fastnacht faktisch ihren Sinn. Im Barock und Rokoko wurden vor allem auf Schlössern und an den Fürstenhöfen Karnevalsfeste gefeiert, deren Masken sich stark an die italienische Commedia dell´Arte anlehnten.
Während in den Städten vermehrt Handwerkszünfte und dort insbesondere die jungen Gesellen die Fastnacht ausrichteten, übernahm im frühen 19. Jahrhundert - vornehmlich im rheinischen Raum - das Bürgertum die Festveranstaltungen. Denn in Folge der französichen Revolution und dem Einmarsch von französchischen Truppen unter Napoleon Bonaparte verloren die Zünfte an Bedeutung und wurden sogar aufgelöst. Zunächst untersagten die französischen Besatzer 1795 in Köln die Fastnacht, erlaubten sie jedoch am 7. Pluviose des Jahres XII. (28. Januar 1804) wieder. Das Bürgertum feierte zwar nach wie vor närrische Maskenbälle, die Straßenfastnacht war aber nahezu ausgestorben. Der Karneval in Köln - nach dem Abzug der Franzosen seit 1815 preußisch – wurde 1823 mit der Gründung des „Festordnenden Comites“ neu belebt und geordnet, vermehrt um die Komponente der Kritik an der fremden Obrigkeit, quasi ein „kulturplolitischer Streich mit humoristischem Ambiente“.
Vor allem in Österreich, der Schweiz, dem Elsass, Bayern und Baden- Württemberg erhielten sich ältere Formen. Besonders in Baden-Württemberg wird heute somit zwischen Karneval und "schwäbisch - alemanischer Fastnacht“ unterschieden. Nachdem sich gegen Ende des 19. Jahrhundert auch hier der Karneval durchgesetzt hatte, wurde nach dem Ersten Weltkrieg eine Rückbesinnung auf die alten Formen gefordert, die sich mit der Gründung der „Vereinigung Schwäbisch- Alemanischer Narrenzünfte 1924 manifestierte. Bis Heute ist der Karneval Sinnbld katholischer Mentalität. Während ältere Fastnachten in Südwestdeutschland sich nach wie vor hauptsächlich in katholischen Gebieten finden lassen, führte ein regelrechter Fastnachtsboom in den 1990er Jahren auch in evangelischen Gegenden die Fastnacht ein. In der Schweiz hat Basel einen Sonderstatus. Die Stadt feiert trotz des seit Jahrhunderten vorherrschenden Protestantismus eine alte, traditionelle Fastnacht.
 
Begriffsherkunft:
Das Wort Fastnacht oder seine Abwandlungen werden in den verschiedenen Fastnachts - bzw. Karnevalshochburgen je nach Dialekt anders gesprochen und geschrieben. In Mainz heisst es Fas(s)enacht, in Franken Fasenacht, in der Schweiz Fasnacht, in Baden, Württemberg und Bayrisch-Schwaben Fasnet, regional auch F(a)asent und in Luxenburg Fuesend. Weitere sprachliche Ausprägungen sind Fosnet, Foaset, und Fassend. Im Niederdeutschen Sprachraum heisst es Plattdeutsch Faslaomt oder Faslam, dabei entspricht der Faslam in protestantischen Gebieten nicht dem, was gemeinhin unter Karneval verstanden wird. Im Großraum Köln wird in der Kölschen Mundart auch Fastelov(v)end oder Fasteleer verwendet, während man im Hochdeutschen ausschließlich von Karneval spricht.
Der Begriff Fasching wird vor allem in Bayern und Österreich verwendet. Das Wort Fasching taucht im Hochdeutschen bereits seit dem 13. Jahrhundert auf, zunächst in den Formen vaschanc und vaschang. Etymologisch leitet sich Fasching oder Vaschang vom Fastenschank her, also vom letzten Ausschank alkoholischer Getränke vor der damals noch strengen Fastenzeit. Darauf verweist auch die mittelniederdeutsche Form vastgang, bzw. die (spät) altnordische Form fostugangr für den Beginn der Fastenzeit. Die Angleichung der Wörter mit „ing“ ist deutlich jünger. Der Begriff Karneval wird in Teilen von Norddeutschland – ca ab der Linie Bonn Erfurt - verwendet, vor allem aber in den Hochburgen Köln, Düsseldorf, Bonn, Aachen und den jeweiligen Regionen. Die Etymologie des Wortes Karneval ist nicht eindeutig geklärt. Die heute geläufigste Vermutung ist die Ableitung vom mittelalterlichen carne levare (Fleisch wegnehmen), daraus carnelevale als Bezeichnung für die Fastenzeit (Fleischwegzeit). Scherzhaft ist die Übersetzung von carne vale als Fleisch lebe wohl möglich. Dieser Deutung entspricht auch die griechische Bezeichnung des Karnevals als Apokries, was soviel heisst wie Fleisch vorbei.

Zeitlicher Verlauf der närrischen Tage:
Als Beginn der Fastnachtszeit galt bzw. gilt in den Deutschsprachigen Ländern traditionell der Dreikönigstag, der 6. Januar. Seit dem 19. Jahrhundert finden in vielen Gegenden zusätzlich am 11. November ab 11.11 Uhr einzelne Veranstaltungen statt, zu denen die Erstürmung des Rathauses mit Entmachtung des Bürgermeisters gehört und die Vorstellung der Prinzenpaare. Der Hintergrund ist, dass es auch vor Weihnachten bereits kurz nach Fixierung des Festes im Jahr 354 eine 40 tägige Fastenzeit gab, ähnlich der vorösterlichen Fastenzeit. Sie begann am 11. November, dem Martinstag. Es galt die vorhandenen Lebensmittel, die nicht fastenzeittauglich waren, wie Fleisch, Fett, Schmalz, Eier und Milchprodukte, zu verzehren. Der Martinstag war auch der Endtermin des bäuerlichen Jahres, an dem die Pacht fällig wurde und das Gesinde wechselte.
Den Höhepunkt erreicht die närrische Zeit in der eigentlichen Fastnachtswoche, vom Schmotzigen Donnerstag bzw. Weiberfastnacht über den Nelkensamstag, Tulpensonntag, Rosenmontag, bis zum Fastnachtsdienstag, auch Veilchendienstag genannt. Dabei gibt es speziell am Rosenmontag entsprechende Umzüge, wobei sich Rosen ursprünglich nicht auf die Blume sondern auf das Verb rasen bezog. Anderen Interpretatinen zufolge verdankt der Rosenmontag seinen Namen dem vierten Fastensonntag, dem Rosensonntag.

Ende der närrischen Zeit:
Das Ende der närrischen Zeit ist der Aschermittwoch, der Aschermittwoch hängt unmittelbar von der Lage des Osterfestes ab. Denn auf auf dem Konzil von Nicäa im Jahre 325 wurde das Osterdatum auf den ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond festgelegt. Um 600 nach Christus legte Papst Gregor der Große eine 40 tägige Fastenzeit vor Ostern fest, die an die Zeit erinnern soll, die Jesus in der Wüste verbrachte. Mit dem Konzil von Benevent im Jahre 1091, wurden die sechs Sonntage vor Ostern vom Fasten ausgenommen. So rückte der Beginn der Fastenzeit um sechs Tage nach vorne auf den heutigen Aschermittwoch. Der Aschermittwoch wird in den verschiedenen Regionen, ja sogar von Ort zu Ort oder von Stadt zu Stadt, ganz verschieden begangen, als da wären die Wäsche der Geldbeutel, das Heringsessen oder andere Riten. Zuvor wird am Dienstag von der Fastnacht Abschied genommen. Auch hier gibt
es je nach Region und Land die unterschiedlichsten Bräuche. Am häugsten ist der Brauch der Fastnachtsverbrennung oder der des Prinzen.

Kulinarisches Brauchtum:
Verbunden mit Fastnacht, Fasching oder Karneval ist das Brauchtum rund um bestimmte Gerichte, die bevorzugt oder ausschließlich in dieser Zeit genossen werden. Im schwäbisch alemanischen Raum zum Beisiel gibt es an Fastancht Kuttelessen. Im Allgemeinen sind es so genannte Arme- Leute- Essen, mehr oder weniger deftiger Art. Solch eine deftige Köstlichkeit, der Kalrobeneintopf, wird auch in der Kalrobenhochburg Igersheim an Fastnacht serviert.